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Kategorie: Geistiges Eigentum & Wettbewerb
| 09:55 Uhr

Oberlandesgericht Hamm untersagt irreführende Heilmittelwerbung für umstrittene kinesiologische Behandlungen



Kinesiologische Behandlungsverfahren dürfen nicht mit fachlich um-
strittenen Wirkungsangaben beworben werden, wenn in der Werbung
die Gegenmeinung nicht erwähnt wird. Das hat der 4. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm am 20.05.2014 entschieden und damit das
erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster bestätigt.

Die Beklagte aus dem westlichen Münsterland bietet sog. "begleitende
Kinesiologie“ und "Edu-Kinestetik-BrainGym®“ an. Ihre Angebote be-
warb sie im Internet in Bezug auf das Behandlungsverfahren
"Kinesiologie“ u.a. mit den Äußerungen:

"Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert; …

Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses; … Linderung
bei körperlichen Beschwerden; …

Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen; …

mit dem Anwendungsgebiet … Narbenstörungen, … Migräne, … Rücken-
schmerzen, … Verdauungsprobleme, … Menstruationsschmerzen, … Entgif-
tung, … Burnout, … Schlafstörungen, … Nervosität, … Depressionen, …

mit sanftem Druck wird der Muskeltonus, zum Beispiel am Arm, getestet. So
erfahren wir, wo und wie der natürliche Energiefluss im Körper beeinträchtigt
wird … Kinesiologische Balancen bauen Stress ab und regen die Selbsthei-
lungskräfte an…“

Das kinesiologische Verfahren "Edu-Kinestetik-BrainGym®“ beschrieb
sie u.a. mit

"Auflösung von Energieblockaden zwischen beiden Gehirnhälften“.

Der klagende Wettbewerbsverein aus Berlin hat gemeint, die Werbe-
aussagen der Beklagten stellten eine irreführende Heilmittelwerbung
dar. Die Kinesiologie und ihre Varianten seien zu Diagnosezwecken
ungeeignet und in ihrer therapeutischen Wirksamkeit nicht belegt. Von
der Beklagten hat er die Unterlassung der Werbung begehrt.

Die Unterlassungsklage des Klägers hatte Erfolg. Der 4. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm hat der Beklagten die streitgegenständliche
Internetwerbung als irreführende und damit unzulässige Heilmittelwer-
bung untersagt.

Auch wenn die Beklagte mit den Äußerungen keine Heilung von
Krankheiten allein durch die Anwendung der (begleitenden)
Kinesiologie in Aussicht stelle, suggerierten die Aussagen, dass die
angebotenen Leistungen als Ergänzung bzw. Unterstützung einer me-
dizinischen/therapeutischen Behandlung zur Linderung von Krankhei-
ten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden beitragen könnten.


Nach dem Heilmittelwerbegesetz unterlägen gesundheitsbezogene
Werbeaussagen strengen Anforderungen. Sie müssten wissenschaft-
lich gesicherten Erkenntnissen entsprechen. Gebe es diese nicht, sei
es unter anderem unzulässig, wenn mit einer fachlich umstrittenen
Meinung geworben werde, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Die
Wirkungsmöglichkeiten kinesiologischer Behandlungen seien wissen-
schaftlich umstritten. Da die Beklagte bei ihrer Internetwerbung auf die
die Wirksamkeit der Kinesiologie infrage stellende wissenschaftliche
Gegenmeinung nicht hingewiesen habe, müsse sie beweisen, dass
ihre Werbeaussagen richtig seien und gesicherter wissenschaftlicher
Erkenntnis entsprächen. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt.
Deswegen sei ihre Werbung unzulässig.

Rechtskräftiges Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 20.05.2014 (4 U 57/13)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 08.08.2014