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Kategorie: Unternehmen + Steuern Geistiges Eigentum & Wettbewerb
| 14:21 Uhr

EuGH: Gebietsabhängige Exklusivität bei der Vermarktung von Fussballübertragungen verstößt gegen Unionsrecht


Ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von Fußballspielen, das
Rundfunkanstalten eine gebietsabhängige Exklusivität für einzelne Mitgliedstaaten
einräumt und den Fernsehzuschauern untersagt, diese Sendungen in den anderen
Mitgliedstaaten mittels einer Decoderkarte anzusehen, verstößt gegen das
Unionsrecht

Das Zeigen von Fußballübertragungen, die geschützte Werke enthalten, in einer Gastwirtschaft
erfordert die Zustimmung des Urhebers dieser Werke:

Die Football Association Premier League (FAPL) betreibt die Premier League, die führende
Profifußball-Liga in England, und vermarktet die Rechte zur Fernsehausstrahlung der Spiele dieser
Liga. Sie räumt den Rundfunkanstalten mittels eines offenen Ausschreibungsverfahrens ein
ausschließliches Recht für die Live-Ausstrahlung der Spiele der Premier League nach Gebieten
ein. Da ein Gebiet gewöhnlich einem Mitgliedstaat entspricht, können die Fernsehzuschauer nur
die Spiele sehen, die von den Rundfunkanstalten mit Sitz in dem Mitgliedstaat ausgestrahlt
werden, in dem sie wohnen.

Um eine solche gebietsabhängige Exklusivität zu schützen und die Öffentlichkeit davon
abzuhalten, Übertragungen außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats zu empfangen, verpflichtet
sich jede Rundfunkanstalt in ihrem Lizenzvertrag mit der FAPL, ihr Satellitensignal zu
verschlüsseln und es im verschlüsselten Zustand über Satellit nur den Abonnenten des ihm
zugewiesenen Gebiets zu übermitteln. Daher untersagt der Lizenzvertrag den Rundfunkanstalten,
die Decoderkarten Personen zur Verfügung zu stellen, die ihre Sendungen außerhalb des
Mitgliedstaats sehen wollen, für den die Lizenz erteilt wurde.

Die den vorliegenden Rechtssachen zugrunde liegenden Streitigkeiten betreffen Versuche, diese
Exklusivität zu umgehen. Im Vereinigten Königreich sind nämlich einige Gastwirtschaften dazu
übergegangen, für den Zugang zu den Spielen der Premier League ausländische Decoderkarten
zu verwenden, die eine griechische Rundfunkanstalt in Griechenland ansässigen Abonnenten zur
Verfügung stellt. Sie kaufen die Karten und eine Decoderbox bei einem Händler zu Preisen, die
günstiger sind als die von Sky, dem Inhaber der Rechte zur Weiterverbreitung im Vereinigten
Königreich.

Da die FAPL der Auffassung ist, dass ein solches Vorgehen die Exklusivität und damit den Wert
der Fernsehausstrahlungsrechte untergrabe, versucht sie dem auf gerichtlichem Weg ein Ende zu
setzen. Die erste Rechtssache (C-403/08) betrifft eine zivilrechtliche Klage der FAPL gegen die
Gastwirtschaften, die unter Verwendung griechischer Decoderkarten Spiele der Premier League
gezeigt haben, und gegen die Händler, die diesen Gastwirtschaften solche Decoderkarten geliefert
haben. Die zweite Rechtssache (C-429/08) geht auf ein Strafverfahren gegen Frau Karen Murphy
zurück, die Inhaberin eines Pubs, in dem Spiele der Premier League unter Verwendung einer
griechischen Decoderkarte gezeigt wurden. In diesen beiden Rechtssachen hat der High Court
(Vereinigtes Königreich) dem Gerichtshof mehrere Fragen über die Auslegung des Unionsrechts
zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Mit seinem Urteil vom heutigen Tag stellt der Gerichtshof fest, dass nationale
Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer
Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen und weder im Hinblick auf das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, noch durch das Ziel, die
Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien zu fördern, gerechtfertigt werden können.

Zur Möglichkeit der Rechtfertigung dieser Beschränkung im Hinblick auf das Ziel, die Rechte des
geistigen Eigentums zu schützen, führt der Gerichtshof aus, dass die FAPL an den Spielen der
Premier League kein Urheberrecht geltend machen kann, da diese Sportereignisse nicht als
eigene geistige Schöpfungen eines Urhebers und damit nicht als „Werk“ im Sinne des
Urheberrechts der Union anzusehen sind.

Doch selbst wenn das nationale Recht Sportereignissen einen vergleichbaren Schutz gewähren
würde – was grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar wäre – ginge ein Verbot der
Verwendung der ausländischen Decoderkarten über das hinaus, was erforderlich ist, um eine
angemessene Vergütung der betreffenden Rechtsinhaber zu gewährleisten.

Der Gerichtshof führt insoweit zum einen aus, dass für die Berechnung einer solchen
angemessenen Vergütung die tatsächliche und potenzielle Einschaltquote sowohl im
Sendemitgliedstaat als auch in jedem anderen Mitgliedstaat, in dem die Sendungen empfangen
werden, berücksichtigt werden kann, und daher eine Beschränkung des freien
Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union nicht notwendig ist. Dass die Fernsehsender einen
Aufschlag zahlen, um sich eine absolute gebietsabhängige Exklusivität zu sichern, geht zum
anderen über das hinaus, was erforderlich ist, um den Rechtsinhabern eine angemessene
Vergütung zu sichern, denn eine solche Praxis kann zu künstlichen Preisunterschieden zwischen
den abgeschotteten nationalen Märkten führen. Eine derartige Marktabschottung und ein solcher
künstlicher Preisunterschied sind aber mit dem grundlegenden Ziel des Vertrags – der
Verwirklichung des Binnenmarkts – nicht vereinbar.

Aus analogen Gründen verstößt ein System exklusiver Lizenzen auch gegen das
Wettbewerbsrecht der Union, wenn die Lizenzverträge es untersagen, ausländische
Decoderkarten Fernsehzuschauern zur Verfügung zu stellen, die die Sendungen außerhalb
des Mitgliedstaats sehen wollen, für den die Lizenz erteilt wurde.

Zwar schließt es das Wettbewerbsrecht der Union grundsätzlich nicht aus, dass ein Rechtsinhaber
einem einzigen Lizenznehmer das ausschließliche Recht überträgt, einen Schutzgegenstand in
einem bestimmten Zeitraum von einem einzigen Sendemitgliedstaat oder von mehreren
Sendemitgliedstaaten aus über Satellit auszustrahlen. Doch dürfen die Lizenzverträge den
Rundfunkanstalten nicht jede grenzüberschreitende Erbringung von Diensten im Zusammenhang
mit den betreffenden Sportereignissen untersagen, weil ein solcher Vertrag es erlauben würde,
jeder Rundfunkanstalt eine absolute gebietsabhängige Exklusivität einzuräumen, er damit
jeglichen Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkanstalten im Bereich dieser Dienste
ausschalten und so die nationalen Märkte nach den nationalen Grenzen abschotten würde.

Schließlich stellt der Gerichtshof im Zusammenhang mit den Vorlagefragen zur Auslegung der
Urheberrechtsrichtlinie1 vorab fest, dass nur die Auftaktvideosequenz, die Hymne der Premier
League, die zuvor aufgezeichneten Filme über die Höhepunkte aktueller Begegnungen der
Premier League und einige Grafiken als „Werke“ angesehen werden können und damit
urheberrechtlich geschützt sind. Die Fußballspiele selbst sind hingegen keine Werke, die einen
solchen Schutz genießen würden.

Aufgrund dessen hat der Gerichtshof entschieden, dass die in einer Gastwirtschaft
stattfindende Übertragung von Sendungen, die diese geschützten Werke – wie die
Auftaktvideosequenz oder die Hymne der Premier League – enthalten, eine „öffentliche
Wiedergabe“ im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie darstellt, für die die Zustimmung des
Urhebers der Werke erforderlich ist. Wenn nämlich eine Gastwirtschaft diese Werke an die
anwesenden Gäste verbreitet, werden die Werke an ein zusätzliches Publikum übertragen, das von den Urhebern nicht berücksichtigt worden ist, als sie der Sendung ihrer Werke durch den
Rundfunk zugestimmt haben.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 4.10.2011