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Kategorie: Unternehmen + Steuern
| 12:01 Uhr

Insolvenzrecht: Insolvenzanfechtung bei Ratenzahlungsvereinbarung mit Gerichtsvollzieher


Der Beklagte war bis zum 3. Mai 2010 bei dem Insolvenzschuldner als Fahrer beschäftigt. Das Arbeitsgericht Aachen verurteilte den Schuldner mit Urteil vom 11. Januar 2011, an den Beklagten rückständiges Entgelt für März bis Mai 2010 von 3.071,42 Euro zu zahlen. Am 21. September 2011 erteilte der Beklagte den Auftrag, aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Gerichtsvollzieherin schloss mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung. Die letzten Raten von insgesamt 1.737,44 Euro wurden am 29. Mai und 4. Juni 2012 gezahlt. Am 30. Juli 2012 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners gestellt. Am 16. Oktober 2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat die letzten Ratenzahlungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten. Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe den Zwangsvollstreckungsauftrag vor der kritischen Zeit erteilt. Die angefochtenen Zahlungen seien darum nicht unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Arbeitnehmer zur Rückzahlung verurteilt.

Erhält der Arbeitnehmer in der sog. „kritischen Zeit“, d.h. in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung oder in der Zeit danach, Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen (inkongruente Deckung), kann der Insolvenzverwalter die Zahlungen nach Maßgabe des § 131 InsO zur Masse zurückfordern (Insolvenzanfechtung). Der Arbeitnehmer kann in der kritischen Zeit keine Leistung unter Einsatz hoheitlichen Zwangs beanspruchen, durch den er auf das zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichende Vermögen des späteren Insolvenzschuldners zugreift und andere Gläubiger zurücksetzt. Zahlungen, die er im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzt oder die der Arbeitgeber erbringt, um die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen), sind deshalb inkongruent. Schließt der vom Arbeitnehmer mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher vor der kritischen Zeit eine Ratenzahlungsvereinbarung, sind die darauf erfolgenden Teilzahlungen selbständig anfechtbar; d.h. zurückzuzahlen.

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie weit die Insolvenzanfechtung greifen kann. Gläubiger, welche sich auf eine Ratenzahlungsvereinbarung einlassen müssen leider immer wieder damit rechnen, dass nach einer Insolvenz des Schuldners bereits gezahlte Gelder vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 38/17