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Kategorie: Unternehmen + Steuern
| 09:04 Uhr

Kurzbeitrag: Betriebliche Übung bei der Betriebsrente


von RA Dr. Stephan Arens

Die Klägerin war von April 1961 bis Juli 1985 bei der Beklagten beschäftigt und bezieht nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Versorgungsleistungen. Ohne Rücksicht auf die Höhe des vormaligen Arbeitsentgelts und die Dauer der Betriebszugehörigkeit zahlte die Beklagte seit 1992 an alle Betriebsrentner jeweils im November eines jeden Jahres einen Betrag in Höhe von 500,00 DM, später in Höhe von 250, 00 Euro, als Weihnachtsgeld.

Im Jahr 2002 teilte die Beklagte der Klägerin auszugsweise Folgendes mit:

"… im Rahmen der Überarbeitung des Sozialleistungstableaus … hat der Vorstand entschieden, dass die freiwillige Zahlung, die Sie in der Vergangenheit gemeinsam mit Ihrer Rentenzahlung im November erhielten, nur noch bis 2004 geleistet wird."

In den Abrechnungen, welche die Beklagte der Klägerin im November 2002, 2003 und 2004 erteilte, rechnete die Beklagte das Weihnachtsgeld als "Versorgungsbezug freiwillige Zahlung" ab. Wie in ihrem Schreiben aus dem Jahr 2002 angekündigt, stellte die Beklagte im Jahr 2005 die Zahlung des Weihnachtsgeldes an die Betriebsrentner, so auch an die Klägerin, ein.

In letzter Instanz hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.02.2010 – 3 AZR 118/08) entschieden, dass die Versorgungsleistungen auch in der Zukunft – also über das Jahr 2005 hinaus – weiterzuzahlen sind. Der „Widerruf“ hat keine Bedeutung. Der Anspruch der Klägerin folgt aus  den Grundsätzen einer betrieblichen Übung.

Die betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers voraus. Neben diesem Zeitfaktor der regelmäßige Wiederholung muss ein „Umstandsfaktor“ treten, also die vorbehaltslose Gewährung einer Leistung. Dies ist vielen Betrieben etwa bei Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bekannt. So entsteht, nach ständiger Rechtsprechung, durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung eines Weihnachtsgelds eine solche betriebliche Übung. Dies führt zu einem Anspruch des Arbeitnehmers, von welcher sich der Arbeitgeber nicht mehr einseitig – also ohne Zustimmung des Arbeitnehmers – lossagen kann. Für die Zahlung von Weihnachtsgeld an Betriebsrentner gilt nichts anderes.

Indem die Beklagte über mehr als zehn Jahre an die Betriebsrentner ohne Rücksicht auf die Höhe des vormaligen Arbeitsentgelts oder auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit jeweils mit den Versorgungsbezügen für den Monat November ein Weihnachtsgeld zahlte, begründete sie eine betriebliche Übung, die das Versorgungsverhältnis der Parteien dergestalt änderte, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein vertraglicher Anspruch auf die Gewährung der Gratifikation zusteht. Das aus Anlass des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses geleistete Rentnerweihnachtsgeld diente der Altersversorgung der Versorgungsempfänger.

Dieses Leistungsversprechen der Beklagten wurde in der Folgezeit weder durch einen Widerruf seitens der Beklagten noch durch eine einvernehmliche Änderung des Versorgungsverhältnisses aufgehoben.

Der Beklagten stand kein Widerrufsrecht zu, da diese in den Jahren 1992 bis 2001 das Weihnachtsgeld gewährt hat, ohne sich einen Widerruf der Leistung vorzubehalten. Ein Widerrufsvorbehalt ebenso wie ein Freiwilligkeitsvorbehalt können nur angenommen werden, wenn der Arbeitgeber ihn den Leistungsempfängern gegenüber hinreichend klar und deutlich erklärt.

Ein Widerruf kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger der „Leistungsänderung“ (die Beklagte hatte angekündigt, die Leistung nur bis November 2004 zu erbringen)  über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprochen hat, sog. gegenläufige betriebliche Übung. Nach Ansicht des Gerichts ist der Rechtsgedanke der gegenläufigen Übung auf das Betriebsrentenrecht nicht übertragbar.

Das Urteil zeigt einmal mehr die strenge Rechtsprechung zur betrieblichen Übung auf. Der Arbeitgeber hat es aber selbst in der Hand, das Entstehen einer betrieblichen Übung zu vermeiden, indem er mit den Zahlungen (etwa beim Weihnachtsgeld) einen hinreichend deutlichen Vorbehalt verbindet, dem zufolge die Leistung keine Rechtsansprüche für die Zukunft begründet.

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