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Kategorie: Geistiges Eigentum & Wettbewerb
| 08:19 Uhr

Rechtsmissbrauch einer Abmahnung - ein besonderer Fall (Update)


von RA Dr. Jan-Peter Psczolla

Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Abmahnungen als Geschäftsmodell

Immer wieder kommen Händler mit Abmahnungen wegen angeblich wettbewerbsrechtlicher Verstöße auf uns zu, bei denen der Eindruck ensteht, dass nicht die Sicherung wettbewerbsrechtlicher Interessen im Vordergrund steht, sondern es den Abmahnenden und deren Anwälten ausschließlich um die Generierung von Gebührenansprüchen geht.

Nach dem Gesetz (§ 8 Abs. 4 UWG) sind solche Abmahnungen unzulässig und können keine Unterlassungs-, Kostenerstattungs- oder sonstigen Ansprüche auslösen. Oftmals ist es jedoch schwierig, dem Abmahnenden seine rechtsmissbräuchlichen Motive nachzuweisen.

Indizien für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung

Mit einem besonderen Fall hatten wir es kürzlich zu tun. Ein (angeblicher) Händler für KFZ-Bauteile, insbesondere LEDs für KFZ, mahnt seit geraumer Zeit über eine Anwaltskanzlei in größerem Umfang vermeintliche Wettbewerbs- und Markenrechtsverstöße im Internet ab und fordert hierfür entsprechende Kosten von den betroffenen Händlern.

Mit demselben Händler befanden wir uns noch im letzten Jahr in einem Rechtsstreit, den unsere Mandantin vor Gericht gewann, da sich die damals ausgesprochene Abmahnung als unberechtigt herausgestellt hatte. Den unserer Mandantin zustehenden Kostenerstattungsansprüchen entzog sich dieser Händler jedoch seitdem mit der Begründung, er beziehe Leistungen nach Hartz IV. Vor diesem Hintergrund ist sehr erstaunlich, dass dieser Händler nur kurze späte Zeit über einen florierenden Geschäftsbetrieb verfügen will, der ihn in die Lage versetzt, in großer Anzahl Abmahnungen auszusprechen - schließlich wollen die von ihm beauftragten Anwälte auch bezahlt werden.

Die an unseren Mandanten gerichtete Abmahnung haben wir daher auch unter Hinweis auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung zurückgewiesen:

"Die von Ihnen gerügten vermeintlichen Wettbewerbsverstöße können dahinstehen, da sich Ihre Abmahnung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bereits als grob rechtsmissbräuchlich herausstellt, § 8 Abs. 4 UWG. Ggf. kann sogar von einem strafrechtlich relevanten Verhalten ausgegangen werden, wobei wir zu Ihren Gunsten davon ausgehen, dass Ihr Mandant Sie über seine Situation und Motive nicht vollständig ins Bild gesetzt hat.

Ihr Mandant, [...], ist uns aus einem anderweitigen Rechtsstreit, den wir vergangenes Jahr für eine Mandantin geführt haben, bekannt. In diesem Verfahren erwirkte [...] beim Landgericht [...] wegen der angeblich unautorisierten Verwendung eines Lichtbildes auf Amazon eine einstweilige Verfügung gegen unsere Mandantin, deren Aufhebung wir jedoch im Widerspruchsverfahren erreichen konnten, da sich die Abmahnung als unberechtigt herausgestellt hatte [...].  Sämtliche Kosten des Verfahrens wurden Ihrem Mandanten auferlegt. Unsere Mandantin hat sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, die Informationen aus dem Mandatsverhältnis weiter zu verwenden.

Gegen einen Ausgleich der festgesetzten Kosten in Höhe von ca. € 1.000,00 wehrt sich Ihr Mandant seit [...] mit der Begründung, er beziehe Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II), allgemein auch als „Hartz IV“ bezeichnet. Im Bewilligungsbescheid, den Ihr Mandant uns vorgelegt hat, wird ein Bewilligungszeitraum bis mindestens [...] ausgewiesen. Ob Ihr Mandant auch über diesen Zeitpunkt hinaus Leistungen über das jobcenter [...] bezieht, ist Gegenstand einer Anfrage, die wir gleichlaufend dort stellen werden.

Schon damals waren wir erstaunt, wie es sich Ihr Mandant leisten konnte, auf der Basis des Bezugs von Hartz IV kostenintensive Rechtsstreitigkeiten zu initiieren, schließlich hätte er doch zumindest in der Lage sein müssen, seinen eigenen Anwalt auftragsgemäß zu bezahlen. Hierzu war [...] offenbar bereits damals nicht in der Lage, so dass der Eindruck entstehen musste, dass [...] entweder seinen eigenen Anwalt über seine Vermögensverhältnisse im Unklaren gelassen hat, oder aber unzulässige Gebührenabsprachen mit den eigenen Anwälten getroffen worden sind. Da [...] schon damals Rechtstreitigkeiten führte, bei denen ihm klar war, dass er im Falle des Unterliegens für die Kosten nicht würde aufkommen können, stellte sich schon damals das Vorgehen von [...] als rechtsmissbräuchlich dar. Der Rechtsmissbrauchseinwand konnte im damaligen Prozess allein nur deswegen nicht erhoben werden, da [...] erst nach Beendigung des Verfahrens über seine finanzielle Situation, insbesondere den Bezug von Hartz IV, aufklärte.

Unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse Ihres Mandanten, die sich noch vor kurzer Zeit als äußerst desolat darstellten, ist es weiterhin in hohem Maße erstaunlich, dass Ihr Mandant offenbar nur kurze Zeit später dazu in der Lage ist, eine Vielzahl von Abmahnungen wegen angeblicher Wettbewerbs- und Markenverstöße auszusprechen und diese auch teilweise im Rahmen gerichtlicher Verfahren zu verfolgen. Aus dem Kollegenkreis ist uns bekannt, dass es in einer Vielzahl von Fällen nicht zu einer Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung sowie zum Ausgleich der Kostenerstattungsansprüche gekommen ist, so dass sich die Frage stellt, wie [...] dazu in der Lage sein kann, die sehr umfassenden Gebührenforderungen, die Ihnen gegenüber Ihrem Mandanten zustehen dürften, zu begleichen.

Dabei spielt vorliegend auch die erhebliche Anzahl von Abmahnungen eine Rolle, welche [...] offenbar über Ihre Kanzlei aussprechen lässt. Sucht man über Google nach dem Namen Ihres Mandanten erscheinen eine Vielzahl von Beiträgen bzw. Einträgen abgemahnter Händler bzw. deren Vertreter, in denen über Abmahnungen, welche von Ihrem Mandanten ausgesprochen worden sind, berichtet wird. Uns liegen zudem Informationen vor, dass Ihr Mandant selbst davon berichtet hat, ca. 40 - 50 Händler wegen vermeintlicher Wettbewerbs- und/oder Markenrechtsverstöße in Anspruch genommen zu haben. Die genaue Anzahl dürfte Ihnen bekannt sein. Hört man sich einmal im Kollegenkreis um, erscheinen diese Zahlen durchaus realistisch, wird einmal berücksichtigt, dass über eine Vielzahl von Abmahnungen überhaupt nicht im Rahmen von Beiträgen oder sonstigen Äußerungen im Internet berichtet wird.

Da Ihr Mandant in seinen Abmahnungen eine Reihe von wettbewerbsrechtlichen Verstößen beanstandet und teilweise gleichzeitig Markenrechtsverstöße geltend macht, würden bei zurückhaltend geschätzten Gebühren pro Abmahnung in Höhe von durchschnittlich ca. € 1.000,00 insgesamt ein Gebührenaufkommen in Höhe von € 40.000,00 bis € 50.000,00 in Rede stehen, sollten sich die vorgenannten Zahlen als zutreffend herausstellen. Vor dem Hintergrund, dass Ihr Mandant jedenfalls noch im [...] Hartz IV bezogen hat, stellt sich die Frage, wie dieser in der Lage sein soll, den entstehenden Gebührenansprüchen, die allein von Ihrer Kanzlei gestellt werden müssten, nachzukommen.

Hinzu kommen Anwalts-und Amtsgebühren für die von Ihrem Mandanten vorgenommenen Markenanmeldungen. So hat Ihr Mandant über Ihre Kanzlei im [...] z.B. die Marke „[...]“ beim HABM registrieren lassen. Allein die Amtsgebühren belaufen sich bekanntlich auf
€ 900,00 - € 1.050,00. Hinzu kommen eine Reihe nationaler Anmeldungen beim DPMA, die u.a. auch im [...] – eine Zeit, zu der Ihr Mandant nachweislich Hartz IV bezogen hat – eingereicht worden sind ([...]). Für die nationalen Markenanmeldungen musste Ihr Mandant mindestens Amtsgebühren von € 1.500,00 aufbringen, noch nicht eingerechnet sind die hierfür anfallenden Anwaltskosten. Wie hat Ihr Mandant das bezahlt?

Dass Ihr Mandant nennenswerte Umsätze im Rahmen seiner Verkaufstätigkeit über eBay erzielt haben könnte, welche diesen in die Lage versetzen, derart umfassende Rechtsstreitigkeiten mit den damit verbundenen Kostenrisiken loszutreten, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Der Account „[...]“, der von Ihrem Mandanten auf der Internetauktion Plattform eBay unterhalten wird, weist seit [...] insgesamt nur 15 relevante Bewertungen auf. Der Account „[...]“, der ebenfalls Ihrem Mandanten zuzuordnen ist, weist für das Jahr [...] lediglich 3 Bewertungen auf. Anhand von durchgeführten Testbestellungen lässt sich anhand der von Ihrem Mandanten vergebenen Rechnungsnummern weiterhin belegen, dass nennenswerte Verkäufe in den letzten Monaten nicht stattgefunden haben.

Damit ist es offensichtlich, dass ein krasses Missverhältnis zwischen den von Ihrem Mandanten mit seiner Verkaufstätigkeit erzielten Umsätzen und den Gebührenansprüchen besteht, die durch die Abmahntätigkeit Ihres Mandanten ausgelöst werden. Bekanntlich ist dies ein klares Indiz für das Vorliegen von Rechtsmissbrauch, der noch deutlicher unter Berücksichtigung des Umstandes zu Tage tritt, dass Ihr Mandant jedenfalls noch im [...] Leistungen nach Hartz IV bezogen hat.

Für eine Rechtsmissbräuchlichkeit Ihrer Abmahnung spricht weiterhin, dass die Angaben, die in Ihrer Abmahnung zu den wirtschaftlichen Investitionen gemacht werden, die Ihr Mandant angeblich zur Erlangung erforderlicher Genehmigungen für bauartgenehmigungspflichtige Bauteile aufgebracht haben möchte, unserer Kenntnis nach nicht zutreffend sind. Zum einen stellt sich bereits die Frage, wie Ihr Mandant derartige wirtschaftliche Investitionen erbringen kann, wenn er gleichzeitig Hartz IV-Leistungen bezieht. Zum anderen haben wir Kenntnis davon, dass Ihr Mandant tatsächlich nicht über die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen verfügt, auf die in Ihrer Abmahnung Bezug genommen wird.

Uns liegen vielmehr Informationen vor, dass Ihr Mandant versucht hat, mit anderen Händlern Absprachen über den Bezug bauartgenehmigungspflichtiger Bauteile zu treffen. Die Zusammenarbeit sollte dergestalt aussehen, dass ein Händler die Bauteile beziehen und verkaufen sollte, während [...] sich vorrangig dafür zuständig erklären wollte, andere Händler, welche Bauteile ohne die erforderliche Bauartgenehmigung vertreiben, abzumahnen. Auch dies zeigt, dass es Ihrem Mandanten tatsächlich darum geht, ein "Abmahn-Geschäftsmodell" weiter zu installieren und auszubauen, um auf diese Weise Geld zu verdienen.

Ihr Mandant hat weiterhin im Rahmen seiner eBay-Accounts noch kürzlich eine Umsatzsteueridentifikationsnummer angegeben, die nicht als tatsächlich vergeben verifiziert werden konnte. Ob dies auf einen Schreibfehler zurückzuführen ist, oder die Identifikationsnummer tatsächlich nicht existierte, wird noch aufzuklären sein. Letzteres würde bedeuten, dass Ihr Mandant möglicherweise steuerlich nicht gemeldet wäre, was im Hinblick auf seine gewerbliche Tätigkeit und die erheblichen Aufwendungen, welche dieser für Anwaltsgebühren aufbringt, nicht ganz unproblematisch wäre und die Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens weiter untermauert. Im Übrigen stellt das derzeitige Fehlen der UStID einen Wettbewerbsverstoß dar, auf den wir höflich aufmerksam machen. Auch Testbestellungen bei Ihrem Mandanten haben ergeben, dass dieser offenbar falsche UStIDs auf seinen Rechnungen angibt. Dies wird über das zuständige Finanzamt zu verifizieren sein.

Abschließend ist anzumerken, dass auch das Geschäftsgebaren Ihres Mandanten außerhalb der hier in Rede stehenden Abmahnung eindeutig dessen rechtsmissbräuchlichen Motive zeigt. Die Anmeldung der Europäischen Marke „[...]“ in Kenntnis dessen, dass es sich bei dem Begriff „[...]“ um eine übliche Abkürzung für „[...]“ handelt, die auch im Bereich der LED-Leuchtmittel vielfach Verwendung findet, um anschließend – in der Sache unberechtigte Abmahnungen – auszusprechen, kann die Rechtsmissbräuchlichkeit kaum stärker belegen. Dies gilt im Übrigen auch für die Anmeldung der Marke „[...]“, die ebenfalls löschungsreif nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ist.

Aus den vorstehend geschilderten Umständen ergibt sich eindeutig, dass die von Ihrem Mandanten ausgesprochene Abmahnung in erster Linie dazu dient, gegen unseren Mandanten – sowie alle weiteren Abgemahnten – einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen und diese somit allein im Gebührenerzielungsinteresse erfolgt ist, so dass die Geltendmachung der Ansprüche insgesamt unzulässig ist, § 8 Abs. 4 UWG."

Fazit:

Wir sind gespannt, ob der betreffende Händler tatsächlich versuchen wird, die geltend gemachten Ansprüche im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu verfolgen. Wir glauben es nicht, denn neben dem Risiko, das Verfahren tatsächlich wegen Rechtsmissbrauchs zu verlieren, könnte die gerichtliche Fortsetzung des Verfahrens auch strafrechtliche Konsequenzen unter dem Gesichtspunkt des Prozessbetrugs haben.

Update (11.09.2014):

Besagter Händler hat vorletzte Woche einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Bonn eingereicht. Das Landgericht Bonn hat im Hinblick auf unser vorgerichtliches Schreiben (s.o.) die Einstweilige Verfügung nicht erlassen, sondern Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt sowie uns weitere Gelegenheit dazu gegeben, zum Verfügungsantrag vertieft Stellung zu nehmen.

Dies haben wir gerne genutzt und in einem weiteren Schriftsatz auf 16 Seiten den aus unserer Sicht offensichtlich auf der Hand liegenden Rechtsmissbrauch dargelegt. Die Reaktion haben wir vorausgesehen: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde vom besagten Händler zurückgenommen, weiterhin erklärte dieser, auf die Rechte aus der zuvor ausgesprochenen Abmahnung zu verzichten - eine Kapitulation auf ganzer Linie. Der besagte Händler wird nun auch alle Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt bekommen - fragt sich nur, ob er diese auch bezahlt, schließlich bezieht er offiziell Hartz IV.

Die Rücknahme des Verfügungsantrags in Reaktion auf den Rechtsmissbrauchsvorwurf ist zudem ein weiterer Beweis dafür, dass der Antragsteller rechtsmissbräuchliche Motive verfolgt.

Es lohnt sich also, bei Abmahnungen, insbesondere von Massenabmahnern, sorgfältig zu recherchieren, ob sich der vermutete Rechtsmissbrauch nicht belegen lässt. Dies kann - wie im geschilderten Fall - gelingen, so dass denjenigen, die das Wettbewerbsrecht zum Geldverdienen missbrauchen, Einhalt geboten werden kann.

Unser Team von MWW Rechtsanwälte vertritt Sie bei allen Abmahnungen im Marken-, Design-, Urheber -und Wettbewerbsrecht. Setzen Sie sich gerne unverbindlich mit uns in Verbindung!