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Kategorie: IT + Medien
| 10:57 Uhr

Abmahnung Kilian Lenard / Martin Ismail oder Digikoros Nikolaos Kairis RAAG-Kanzlei / Wang Yu wegen Google Fonts


 

Handeln und Schadensprävention statt Unterlassung und Schadensersatz – wer sich nur ärgert, verpasst das Beste!

Seit einigen Wochen sind zahllose Abmahnungen in Umlauf, deren Empfänger auf die datenschutzrechtswidrige Einbindung von Google Fonts auf ihrer Website hingewiesen und zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert werden. Der genaue Inhalt der Abmahnungen variiert; Während ein von Rechtsanwalt Kilian Lenard aus Berlin vertretener Martin Ismail – Mitglied einer bis dahin unbekannten „IG Datenschutz“ hierauf beschränkt, möchte Wang Yu, vertreten durch Rechtsanwalt Dikigoros Nikolaos Kairis (RAAG-Kanzlei) darüber hinaus auch eine datenschutzrechtliche Auskunft und eine Unterlassungserklärung und die Erstattung von Abmahnkosten. Beim Schadensersatz geht es regelmäßig um einen Betrag von 170,00 €.

Der Ärger der Empfänger solcher Abmahnungen und der Wunsch nach einer harschen Reaktion ist verständlich – und in diesem Fall auch richtig. Er geht aber am eigentlichen Kern des Problems vorbei!!!

 

Der Hintergrund der Abmahnwelle

Worum geht es eigentlich bei der Abmahnung?

Es geht um die nicht datenschutzkonforme Einbindung von Google Fonts auf Webseiten. Google Fonts ist ein von Google bereitgestelltes Werkzeug zur Erweiterung des auf Webseiten verfügbaren Schriftartenspektrums. Standardmäßig wird dabei die Schriftart nicht auf den Server des Betreibers der Website heruntergeladen, sondern beim Aufruf der Website unmittelbar von Google bereitgestellt. Hierfür übermittelt der Betreiber der Website die IP-Adresse des Besuchers an Google.  Da die IP-Adresse als personenbezogenes Datum gilt, ist dies nicht ohne Weiteres zulässig – und wegen der Verfügbarkeit anderer technischer Lösungen auch nicht erforderlich.

Am 20.01.2022 hat das Landgericht München I dem Besucher einer Website, in die Google Fonts eingebunden war, daher wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte durch die Übermittlung der IP-Adresse an Google einen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch in Höhe von 100,00 € zugesprochen (Az.: 3 O 17493/20).

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand findet, der in dieser Entscheidung ein Geschäftsmodell für das schnelle Geld wittert. Nunmehr haben sich Martin Ismail und Wang Yu zur Übernahme dieser Aufgabe bereiterklärt und lassen auf Grundlage dieser Münchner Entscheidung massenhaft Abmahnungen wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte verschicken. Die Abmahnungen spielen mit den Ängsten und der Unsicherheit der Empfänger, deren technisches Verständnis von der Einbindung von Google Fonts regelmäßig überfordert ist, und die die Entscheidung des LG München I sowie einiger weiterer in den Abmahnungen zitierter Urteile nicht richtig einordnen können.

Die Abmahnungen sollen hier nicht im Detail behandelt werden, das Internet ist voll mit einschlägigen Ausführungen. An dieser Stelle nur so viel: Die Abmahnungen sind sehr unsorgfältig vorbereitet, Wang Yu ist in Herrn RA Kairis‘ Abmahnungen abwechselnd männlich und weiblich, auf den Abmahnungsempfänger ausgestellte Rechnungen des Abmahnvertreters sind höchst zweifelhaft, und welcher Schaden kann schon aus Datenschutzverletzungen hervorgehen, die durch die Abmahner selbst provoziert werden, indem sie (wenn überhaupt) eine Website gerade aus dem Grund besuchen, weil dort ein Tool datenschutzrechtswidrig implementiert ist? Wie schwer sich zudem die Gerichte bisweilen mit der Ausurteilung von Schadensersatz wegen Datenschutzverletzung tun, kann der Autor – selbst an dem in der Abmahnung zitierten Urteil des LAG Köln vom 14.09.2020, Az.: 2 Sa 358/20 beteiligt – aus eigener Erfahrung berichten.

 

Kann die Abmahnung also einfach in den Papierkorb?

Obwohl vieles dafür spricht, dass auf die Abmahnung nichts mehr folgt, wäre es nachlässig, sie nur zu entsorgen und zum Tagesgeschäft überzugehen. Zwar sollte man den geforderten Betrag nicht zahlen. Aber im Kern bleibt das Anliegen der Abmahner berechtigt: die betroffene Website weist rechtliche Mängel auf. Daran ändern auch unlautere Absichten der Abmahner nichts. Und die Erfahrung lehrt, dass dort, wo ein Mangel auftritt, auch weitere verborgen sind.

Viele Websites wurden letztmalig im Zuge des Inkrafttretens der DSGVO im Jahr 2018 geprüft und mit Datenschutzerklärungen versehen; seither blieben die dort enthaltenen Rechtstexte unverändert, obwohl sich die Umstände geändert haben, etwa indem die Websites überarbeitet, die Texte aber nicht angepasst wurden. Zudem haben sich die Gerichte, insbesondere der EuGH inzwischen mehrfach zu datenschutzrechtlichen Anforderungen geäußert und einige im Jahr 2018 noch vertretbare Annahmen widerlegt haben.

Auf anderen Websites wurden von vornherein nur laienhaft zusammenkopierte Texte übernommen oder deren Erstellung dem mit der Pflege der Website betrauten IT-Dienstleister überlassen.

Die allermeisten Websites, die von den Google Fonts-Abmahnungen betroffen sind, weisen daher auch weitere Mängel auf. Dies betrifft übrigens nicht nur Datenschutz und Datenschutzerklärung, sondern häufig auch das Impressum und – soweit vorhanden – die AGB.

 

Die Abmahnung als Geschenk

So lästig die Abmahnungen auch sein mögen, man kann sie durchaus als Geschenk betrachten. Gerade weil sie handwerklich schlecht gemacht sind und auf zweifelhafte Beweggründe zurückgehen, werden sie wahrscheinlich keinen weiteren Ärger bringen, aber bei konsequentem Handeln weiteren Ärger vermeiden. Man sollte vielmehr damit rechnen, dass der nächste, der eine Website bemängelt, dies aus gutem Grund tut und ernst zu nehmende Ansprüche stellt oder, wenn es die Datenschutzaufsichtsbehörde ist, sogar ein Bußgeldverfahren einleitet. Es ist also an der Zeit, die betroffene Website umfassend technisch und juristisch prüfen zu lassen. Werden dabei weitere Mängel gefunden, war die Abmahnung mehr als die geforderten 170,- € wert - was nicht heißt, dass auf die Abmahnung gezahlt werden soll!

So gesehen gebührt Martin Ismail und Wang Yu sowie deren Rechtsanwälten beinahe schon Dank dafür, dass sie mit großem Aufwand ihren Ruf riskieren, um den Abgemahnten einen Weckruf zu erteilen, ihre Website eingehend zu überprüfen.

 

Unser Team von MWW Rechtsanwälten berät Sie in allen Fragen des IT-Rechts, auch der rechtlichen Prüfung und Gestaltung von Internetseiten und deren Rechtstexten. Setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung (Ansprechpartner RA Zimmermann)!