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Kategorie: IT + Medien
| 08:11 Uhr

Medienstrafrecht: Strafbarkeit eines Journalisten wegen der unverpixelten Weitergabe von Fotografien an eine Zeitungsredaktion


Das Bundesverfassungsgericht musste sich in seinem Beschluss vom 23.06.2020, Az.: 1 BvR, 1716/17, mit der Frage befassen, wann die Strafbarkeit eines Journalisten wegen der unverpixelten Weitergabe von Fotografien an eine Zeitungsredaktion in Betracht kommt.

Das Landgericht Aachen (Urteil vom 19.12.2022, Aktenzeichen 73 Ns-2 Js 1508/14-36/20) hat kürzlich aufgrund dieses Beschlusses entschieden, dass sich ein Journalist nicht wegen der Weitergabe eines unverpixelten Fotos einer Person an eine Zeitungsredaktion strafbar gemacht hat. Die Entscheidung erging, nach dem der Rechtsstreit aufgrund der Verfassungsbeschwerde des Journalisten an das Landgericht Aachen zurückverwiesen worden ist.

 

Zugrundeliegender Sachverhalt

Ohne dessen Einwilligung fotografierte ein Journalist auf dem Flur einer Klinik einen Mann, der vermeintlich an Ebola erkrankt war. Er leitete das Foto unverpixelt an eine Zeitungsredaktion weiter, die das Foto unter dem Titel „Ebola-Verdächtiger wartet 40 Minuten im Klinik-Flur" veröffentlichte. Der Abgebildete war ausdrücklich nicht mit der Anfertigung des Fotos einverstanden und auch die Klinikmitarbeiter hatten den Fotografen aufgefordert, das Foto zu löschen.

Das Amtsgericht Aachen sowie das Landgericht Aachen in zweiter Instanz, verurteilten den Journalisten aufgrund der unrechtmäßigen Verbreitung des Fotos gemäß § 33 KUG. Gemäß § 33 Abs. 1 KUG steht die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses, welches gegen §§ 22, 23 KUG verstößt, unter Strafe. In §§ 22, 23 KUG ist geregelt, wann die Verbreitung eines Bildes zulässig ist, nämlich insbesondere mit der Einwilligung des Abgebildeten oder beispielsweise, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, also ein öffentliches Informationsinteresse daran besteht.

Der Journalist sah sich nach der Ausschöpfung des Rechtsweges durch die Verurteilung in seiner Pressefreiheit betroffen und legte daher Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Strafgerichtes ein.

 

Entscheidung des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Journalist durch die Verurteilung in seiner Pressefreiheit beeinträchtigt ist.

Entgegen der Auffassung des Journalisten sah es die Weitergabe des unverpixelten Fotos zwar als Verbreitungshandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 KUG an und das Bundesverfassungsgericht nahm auch an, dass es sich grundsätzlich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelte. Die Verbreitung eines Fotos ohne die Einwilligung in den Fällen des § 23 Abs. 1 KUG setzt jedoch auch voraus, dass die Interessen des Betroffenen die des Fotografen nicht überwiegen. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung seien die Arbeits- und Verantwortungsstrukturen der Pressearbeit und vorangegangenen Recherchen nicht in ausreichender Weise berücksichtigt worden.

 

Keine grundsätzliche Pflicht zur Verpixelung

Eine grundsätzliche Verpflichtung für Journalisten zur Verpixelung eines Fotos vor der Weitergabe an eine Presseredaktion besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht. Die Instanzgerichte hatten insbesondere auch nicht festgestellt, dass der Fotograf gegenüber der veröffentlichenden Redaktion verschwiegen habe, dass der Betroffene der Bildaufnahme widersprochen hat und die Mitarbeiter des Krankenhauses zur Löschung des Fotos aufgefordert hat.

 

Folgen der Entscheidung für freie Journalisten und Fotografen

Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, dass es sich bei der Weitergabe eines Fotos um eine Verbreitungshandlung im Sinne der §§ 22 ff. KUG handelt, hat möglicherweise auch weitreichende Folgen für Journalisten und Fotografen, die Fotos an Redaktionen zur Veröffentlichung weitergeben. Hinsichtlich Bildagenturen hatte der Bundesgerichthof in Abgrenzung dazu entschieden (BGH, Urteile vom 07.12.2012, Aktenzeichen: VI ZR 30/09 und VI ZR 34/09), dass es sich bei der presseinternen Weitergabe nicht um eine Verbreitung handelt, was wiederrum zur Folge hat, dass ein Verstoß gegen §§ 22, 23 KUG ausscheidet – das sogenannte Bildagenturenprivileg.

 

Die Einstufung der Weitergabe als Verbreitungshandlung führt dazu, dass Journalisten und Fotografen mit der Weitergabe eines Fotos an eine Redaktion zunächst einmal in den Anwendungsbereich des KUG fallen. Ob eine Weitergabe zulässig ist, lässt sich damit nur anhand einer rechtlichen Bewertung, die auch eine Interessenabwägung beinhaltet, entscheiden.

 

Die rechtliche Bewertung der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung kann mitunter schwierig sein und ist daher nur mit fundierten Kenntnissen sowie weitreichender Erfahrung in diesem Rechtsgebiet möglich.

Wir beraten Sie gerne zu allen Fragen des Medien- und Medienstrafrechtes, nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt zu uns auf (Ansprechpartner Rain Jörg-Gessinger).